RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

8. Flugzeiten und Wochenende (Phase II)

Da aus den bereits dargelegten Gründen seit 1992 nur noch 6 bis 8 einsatzbereite Jets zur Verfügung standen, reduzierte sich deren Flugbetrieb wochentags quantitativ auf ein Viertel der für Phase I nachgewiesenen Werte. Hinzu kommen die Einsätze der Hubschrauber. Wegen des häufigen Austausches der auswärts stationierten Harrier und Hubschrauber kam es jedoch zu einer überproportionalen Belastung am Wochenende. Verlegungen fanden außerhalb des regulären Dienstplanes vorrangig samstags oder sonntags statt. Da damit auch eine Verlegung des Bodenpersonals verbunden war, kamen am Wochenende sehr häufig Truppen- und Materialtransportflugzeuge zum Einsatz.

Obwohl auf Laarbruch in der Phase II nur noch halb so viele Kampfjets stationiert waren wie vor 1992, nahm die Zahl der Verlegungen und damit die Wochenendbelastung erheblich zu. Dies hatte verschiedene Gründe.

Zunächst war für den "Harrier", der von 1992 bis 1999 auf Laarbruch stationiert war, wesent- lich mehr Bodenpersonal notwendig, da es sich um einen höchst komplizierten, technisch überaus anspruchsvollen Flugzeugtyp handelt. Dies führte vor der Einleitung des Abzuges der RAF aus Laarbruch (1995) sogar dazu, dass für das Personal zeitweise Wohnungen in Duisburg angemietet werden mussten, da die vorhandenen Kapazitäten in Weeze und Goch nicht mehr ausreichten. Ferner standen jetzt ständige Verlegungen in kleinen Einheiten auf dem Programm. So wurden etwa im Rahmen des Jugoslawienkonfliktes oder für den Einsatz im Nordirak mehrere Teams mit je 4 Jets gebildet, die an verschiedenen Standorten statio- niert wurden. Für die technische Unterstützung der einzelnen kleinen Einheiten war aber je- weils eine komplette "Grundausstattung" notwendig, was insgesamt mehr Personal notwen- dig machte. Der deutlich höhere Personalbedarf erforderte wesentlich mehr Transporte und verursachte damit eine größere Belastung durch Flüge am Wochenende.

Hinzu kommt, dass mit der Auflösung des Warschauer Paktes die Fixierung auf eine einzige Hauptaufgabe, nämlich den potentiellen Aggressor in Schach zu halten, wegfiel. Stattdessen kamen die Jets aus Laarbruch in der Phase II auf fast allen militärischen Schauplätzen mit RAF-Beteiligung zum Einsatz, ob im Zusammenhang mit den Konflikten um Jugoslawien und dem Irak, oder bei Übungen in den USA, auf den Falklandinseln, Belize, Chile, Kanada oder sogar auf den Flugzeugträgern der Royal Navy; überall waren die Harrier aus Weeze anzutreffen, ständige Rotation von Personal und Material in kurzen Zeitabständen war gefor- dert. Im Zusammenhang damit kam es zu zahllosen Verlegungen auf RAF Laarbruch, was an Wochenenden zu einer außerordentlichen Belastung der Anwohner führte, da die Trans- porte von Mensch und Material in der Regel samstags oder sonntags stattfanden, um den regulären Flugablauf an den übrigen Wochentagen nicht zu beeinträchtigen.

Für Laarbruch hat die RAF keine konkreten Zahlen über den Umfang der Verlegungen an den Wochenenden in den 90er Jahren vorgelegt. Allerdings gibt es Daten für RAF Brüggen, dem neben Laarbruch letzten und etwa gleich großen Flugplatz der Royal Air Force in Deutsch- land. Da Brüggen in den 90er Jahren in vergleichbarem Umfang an den diversen RAF-Aus- landseinsätzen beteiligt war wie Laarbruch, lassen sich die Zahlen für Weeze zuverlässig ab- leiten. Ein Beispiel: Im Dezember des Jahres 1995 erfolgte im Rahmen der NATO-Operation "Resolute" eine Verlegung von RAF-Einheiten aus Brüggen nach Jugoslawien. Dabei wurden 570 Soldatinnen und Soldaten, 256 Fahrzeuge und weitere 830 Tonnen Ausrüstungsgüter transportiert. Bis Zum Januar 1996 sind sogar 4300 Personen befördert worden. Für die Transporte im Dezember 1995 waren allein 150 Flüge mit Maschinen des Typs "Hercules" notwendig (Quelle: Royal Air Force Germany since 1945, by Bill Taylor, Hinckley 2003, S. 174). 78% der Flüge fanden samstags oder sonntags statt, also 117 an der Zahl. Da über zwei Wochenenden geflogen wurde, ergeben sich daraus knapp 30 Flüge pro Wochenend- tag. An- und Abflug gerechnet, ergibt dies eine Belastung von annähernd 60 Flugbewegun- gen/Tag am Wochenende im Rahmen einer einzigen Übung. Die Zahlen für RAF Laarbruch dürften sogar noch darüber gelegen haben, da der "Harrier" - wie geschildert - überdurch- schnittlich material- und personalintensiv war. Dies führte zeitweise sogar dazu, dass die RAF die Verlegungen mit den eigenen Transportern nicht mehr bewältigen konnte und die US-Luftwaffe (USAF) aushelfen musste; im Rahmen der UN-Einsätze in Bosnien kamen im Juli 1995 beispielsweise schwere USAF-Transporter vom Typ C-141 "Starlifter" zum Einsatz, um das 1. RAF Regiment samt Ausrüstung von Laarbruch ins ehemalige Jugoslawien zu verlegen (Quelle: Taylor, a. a. O., S. 174).

Dies alles belegt, dass die Wochenendbelastung in den 90er Jahren (Phase II) zeitweise sogar deutlich höher lag als heute; am Flughafen Weeze werden gegenwärtig etwa 40 Flug-bewegungen/Tag abgewickelt, während es zu RAF-Spitzenzeiten während der Phase II bis zu 60 Flugbewegungen/Wochenendtag waren (Stand: Oktober 2004, noch mit VBird- Anteil).

Die für den regelmäßigen Pendeldienst sowie bei Verlegungen vorwiegend eingesetzten Ma- schinen waren besonders lärmintensiv und verursachten damit eine besondere Belastung der Bevölkerung. Zum einen handelte es sich um die C 130 "Hercules", eine viermotorige Turbo- propmachine, zum anderen um die Vickers VC 10, einen vierstrahligen Düsenjet. Beide Transporter sind ältere Flugzeugmuster aus den 60er Jahren. Bei den Weezern waren diese Flieger nicht nur deswegen besonders unbeliebt, weil sie extrem laut und "dreckig" waren, sondern besonders auch deswegen, weil sie vorzugsweise dann einschwebten bzw. ein-schweben mussten, wenn kein Ausbildungsbetrieb der Jagdbomber stattfand. Abends, nachts, am Wochenende oder an Feiertagen kamen die lautstarken Besucher, die Material, Personal oder auch nur hochrangige Militärs transportierten.

Zur Versorgung der in Deutschland verbliebenen britischen Truppen fliegt die RAF mit den genannten Flugzeugtypen heute noch die internationalen Flughäfen Düsseldorf und Hannover an. Obwohl dieser aktuelle Pendeldienst längst nicht mehr so intensiv ist wie zu Zeiten der RAF auf Laarbruch, richten sich die Beschwerden der dortigen Flughafengegner bezeichnen- derweise besonders gegen diese Besucher.

Wegen des zunehmenden Ärgers mit den Anwohnern der genannten zivilen Airports erwägt das britische Verteidigungsministerium gegenwärtig, den ehemaligen RAF-Flughafen Güters- loh zu reaktivieren (Stand Oktober 2004). Dies untermauert eindrucksvoll, dass den An- wohnern der genannten Zivil-Flughäfen der vergleichsweise geringe RAF-Flugbetrieb bereits zu viel ist. Es lässt sich daher leicht ausmalen, um wieviel intensiver und damit belastender der Flugverkehr zu den "besten Zeiten" auf Laarbruch war, gerade auch am Wochenende.

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Ein Transporter vom Typ C 130 "Hercules" landet auf Laarbruch. Am Ende der damals noch von Wald umgebenen Runway 27 (Ost) erkennt man die Sicherheits-Fangeinrichtung für überschießende Fllugzeuge. Derartige Systeme mit Fangseil finden auch auf Flugzeugträgern Verwendung. Laarbruch 1998.
Foto: Hal Palmer


Sehr regelmäßig waren die Transporter vom Typ VC 10 zu Gast in Weeze, vermehrt im Rahmen der zahlreichen Verlegungen in der Phase II (1992 bis 1999). Im Bild Harrier- Bodenpersonal, das nach Italien (Goia del Colle) geflogen wird. Die Verlegungen fanden meist außerhalb der Betriebszeiten der Kamp-fjets statt, häufig am Wochenende, bisweilen sogar mitten in der Nacht, wie im vorliegenden Fall. Foto: RAF Laarbruch, 1994.


Im Juli 1995 wurden große Teile des „RAF Regiment“ Laarbruch nach Ploce/Kroatien verlegt. Da die Kapazitäten der RAF dafür
nicht mehr ausreichten, kamen Transporter
der US-Luftwaffe (USAF) vom Typ C-141 „Starlifter“ zum Einsatz. Im Bild ein USAF „Starlifter“, der am Wochenende auf Laarbruch landet, um Material des „RAF Regiment“ aufzunehmen.
Laarbruch, Sonntag, 9. Juli 1995
Foto: RAF Laarbruch


Anfang des Jahres 1999 wurden 4 Harrier der
3. Sqn. aus Laarbruch nach Gioia del Colle in Italien verlegt. Von hier aus nahmen sie im Rahmen der NATO-Operation "Allied Force"
am Kosovo-Krieg teil. Im Bild Jets und Boden- personal der RAF Laarbruch im Einsatz.
Goia del Colle, März 1999.
Foto: RAF


Nach Bekanntgabe des Schließungsbeschlusses für die RAF Airbase Laarbruch begann 1994 die sukzessive Rückführung von Mensch und Material nach Großbritannien. Intensiver Transportverkehr war die Folge, häufig mit der VC 10. Im Bild eine der letzten RAF-Maschinen (10. Sqn.), die auf Laarbruch landete. Deutlich erkennbar die Abgasfahne; der Lärm der Maschinen war infernalisch.
Foto: RAF Laarbruch, 30. Mai 1999.