RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

7. Flugzeiten und Wochenende (Phase I)

Da die Übungsflüge möglichst realitätsnah durchgeführt wurden, gab es prinzipiell keinerlei zeitliche Beschränkungen. Die Philosophie der "ständigen Bereitschaft" seitens der NATO ließ den Briten gar keine andere Wahl. Der reguläre Flugbetrieb konzentrierte sich zwar auf die Werktage (Montag bis Freitag), an denen bis in den späten Abend geflogen wurde, aber Flüge an Wochenenden und in der Nacht waren dennoch keine Seltenheit. Unvorhergesehe- ne Verzögerungen des Ausbildungsplanes, bedingt etwa durch den Ausfall der sensiblen Technik, führten immer wieder zum Ausweichen auf Samstage und Sonntage. Bei größeren Übungen, Verlegungen und Besuchen hochrangiger Gäste wurde ohnehin keine Rücksicht auf das Wochenende genommen. In Krisenzeiten fielen jegliche Beschränkungen; so war etwa der Flugbetrieb in den Krisenjahren 1961 bis 1964 (Berlin-Krise, Kuba-Krise) gleichmäßig auf alle Wochentage verteilt, ebenso beim "Prager Frühling" (1968), beim Einmarsch der Sowjet- union in Afghanistan (1979) oder während des ersten Golfkrieges (1990/91).

Abgesehen davon war es üblich, Truppenverlegungen und den Austausch des Materials au- ßerhalb des regulären Dienstplanes an den Wochenenden durchzuführen. Dadurch kam es bisweilen auch am Samstag und Sonntag zu recht umfangreichem Flugbetrieb. In Krisen- zeiten war der Wochenendbetrieb besonders intensiv. Die letzte bekannte Situation dieser Art in Phase I fand während des ersten Golfkrieges 1990/1991 statt. Damals war RAF Laarbruch mit seinen rund 65 Kampfbombern einer der beiden am besten ausgerüsteten Standorte der Royal Air Force. In aller Eile wurden die Kampfjets für den Wüsteneinsatz umgerüstet; aber nicht nur die eigenen Jets, sondern auch RAF-Flugzeuge von anderen Standorten wurden in Laarbruch hergerichtet. Ferner kamen die Maschinen zur Wartung immer wieder nach Weeze zurück. Der Flugverkehr zwischen den RAF-Standorten am Golf und Laarbruch war in dieser Phase außerordentlich umfangreich. Auch die besonders belastenden Triebwerkstests fanden in dieser Zeit in nie gekannter Zahl und meist mitten in der Nacht statt. Auf Wochenenden- oder Nachtruhe konnte unter den Bedingungen des Krieges in keiner Weise (mehr) Rücksicht genommen werden; die ohnehin geplagte Anwohnerschaft musste in dieser Zeit Extremes ertragen.

Was in Phase I noch eher die Ausnahme war, wurde in Phase II zur Regel: Laarbruch war nunmehr reguläre Heimatbasis für zeitweise im Ausland eingesetzte Fliegerstreitkräfte. Da die damit verbundenen Verlegungen seither besonders intensiv waren, werden sie in Kap. 8 ("Flugzeiten und Wochenende Phase II") ausführlicher dargestellt (s. u.).

Wochenend-Besucher der besonderen Art waren bis zum Beginn der 80er Jahre die schwe- ren Bomber vom Typ "Avro Vulcan". Bis zur Indienststellung ausreichender Kontingente des als Atomwaffenträger vorgesehenen neuen Jagdbombers vom Typ "Tornado" (1984) leistete sich die ehemalige Weltmacht Großbritannien eine eigene strategische Bomberflotte, die mit den schweren Maschinen des Typs "Vulcan" ausgerüstet war. Die "Vulkan" der RAF ent- spricht damit der B 52, die von der US-Luftwaffe als schwerer Atomwaffenträger im "Kalten Krieg" vorgehalten wurde. Zum Wochenende schwebten jeweils zwei der gewaltigen Vulcan- Bomber auf Laarbruch ein; nach zwei Tagen verließen sie Weeze wieder. Der Sinn dieser Wochenendbesuche bestand darin, die Drohung mit dem atomaren Gegenschlag auch am Samstag/Sonntag aufrecht zu erhalten, denn wegen der Ausdünnung des Personals am Wochenende kalkulierte man für den Fall eines Überraschungsangriffes durch die Staaten des "Warschauer Paktes" mit längeren Vorwarnzeiten. Um dies durch verkürzte Wege zum potentiellen Gegner zu kompensieren, wurden die Atombomber gewissermaßen näher an die "Front" verlegt, nämlich von der Britischen Insel (Heimatbasis: RAF Waddington) nach Laar- bruch. Während ihres Aufenthaltes blieben die "Vulcan"-Bomber allerdings nicht nur am Boden. Übungseinsätze vor Ort waren keine Seltenheit. Noch heute erinnern sich ältere Weezer an die gewaltigen Maschinen mit ihrer unverwechselbaren Silhouette und der infer- nalischen Lärmentwicklung.

In den Sommermonaten fand auch regelmäßig das sehr flugintensive "Trainingscamp" der RAF-Kadetten statt. Die angehenden Flugzeugführer sollten dadurch an die lokalen Gegeben- heiten ihrer künftigen Einsatzorte in Deutschland herangeführt werden. Zu diesem Zweck brachten die Kadetten ihre eigenen Trainingsflugzeuge vom Typ "Bulldog" und "Chipmunk" mit. Bis zu 8 Maschinen waren in diesem Zeitrahmen um Laarbruch aktiv. Um den regulären Betrieb der Kampfjets nicht zu stören, mussten die Flugschüler auf andere Zeiten auswei- chen. Spät abends nach Dienstschluss und schwerpunktmäßig am Samstag und Sonntag waren die Kadetten intensiv mit ihren Maschinen unterwegs. Über den dadurch hervorge- rufenen Fluglärm liegen zahlreiche Beschwerden der Anwohner vor, wobei es häufig Gegen- stand der Klagen war, dass die Kadetten "waghalsige Flugmanöver" und "unerträglichen Lärm" produzierten (s. "Lärmbeschwerden", u. a. Kap. I).

Am Wochenende kam allerdings eine Belastung hinzu, die gerne unterschlagen wird; der "Laarbruch Flying Club" nutzte die "ruhigen" Tage für seine rund 200 Mitglieder mit vereins- eigenen Flugzeugen intensiv aus. Zahllose Flüge der kleinen Maschinen erfolgten samstags und sonntags bis spät in die Nacht. Da es sich um zivile Flugzeuge handelte, war ihre Herkunft allerdings wesentlich schwerer zu ermitteln als bei den Militärjets, so dass die meisten Anwohner, die dadurch gestört wurden, nicht die leiseste Ahnung hatten, woher diese stammten. Selbst die Weezer vermuteten hinter den aufdringlich knatternden Tief- fliegern meist den Flugplatz Asperden als Heimatbasis, und so wurde die Belästigung fälschlicherweise nur selten mit Laarbruch in Verbindung gebracht.


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Die Royal Air Force Laarbruch ließ keine Zweifel daran, dass Flugbetrieb an jedem Tag und zu jeder Zeit stattfinden konnte. Dieses Schild stand bis 2001 an der Ringstraße des Flughafens nahe der Runway.
Foto: Rolf Toonen


Zwei Tornados der 16 Sqn. starten am Wo- chenende von ihrer Heimatbasis Weeze in Richtung Persischer Golf. Die Kampfbomber sind auf Laarbruch mit den großen Über- führungstanks sowie Wüstentarnanstrich versehenen worden.
Foto: Hal Palmer, Sonntag, 17. 2. 1991


Eine "Vulcan" verlässt Laarbruch zum Wochenende. Charakteristisch für die gigantische "Vulcan" sind die Delta-Flügel. Laarbruch 1981. 
Foto: Hal Palmer


Ein "Bulldog" Trainingsflugzeug der RAF-Kadetten. Maschinen dieses Typs waren alljährlich zum Sommertraining um Laarbruch im Einsatz und waren bisweilen der "Schrecken der Anwohner", wenn die jungen Piloten ihre "Kunststücke" über ihren Köpfen vollführten.



An den Wochenenden ohne militärischen Flugbetrieb waren die Sportflieger des "Laarbruch Flying Club" in Aktion. Alle Maschinen des Vereins waren an
solchen Tagen im ständigen Einsatz.
Foto: Clive Brooks, Laarbruch um 1975. http://www.shineytwojag.co.uk