Eine neue Chance für Kamp-Lintfort?

Von Martin Plich 23. November 2008, 03:23 Uhr

MSV-Präsident Hellmich möchte früheres Handy-Werk in Gewerbepark umwandeln

Walter Hellmich mag das pulsierende Leben. Mit Volldampf hat er in den letzten Jahren nicht nur Fußballstadien gebaut. Stillstand gibt es für den 64-Jährigen nicht. Deshalb hat der Bauunternehmer und Fußball-Funktionär aus Dinslaken jetzt auch das fast komplette ehemalige BenQ-Gelände in Kamp-Lintfort gekauft.

Auf diesem Areal, wo früher Mobiltelefone gebaut wurden, herrscht absoluter Stillstand, besser gesagt, Stille. Nur noch ein kalter Wind weht derzeit über das ehemalige Produktionsgelände. Das will Walter Hellmich, der als Präsident des MSV Duisburg zuletzt hektische Wochen zu meistern hatte, schnellstmöglich ändern. Leben soll zurückkehren, neue Arbeitsplätze entstehen. Das hört sich gut an, bedarf aber noch einer ganzen Menge Arbeit. Die Region hat zweifelsfrei mit großen Problemen zu kämpfen. Kamp-Lintfort, die knapp 40 000 Einwohner zählende Stadt am Niederrhein, musste vor zwei Jahren die Insolvenz des Handyherstellers BenQ verkraften, 1600 Arbeitsplätze, davon 400 Beschäftigte direkt aus Kamp-Lintfort, gingen verloren. Damit nicht genug. Bis Ende 2012 werden in hohem Maße weitere Stellen wegfallen. Denn der größte Arbeitgeber in Kamp-Lintfort, das Bergwerk West, wird spätestens dann schließen. Schicht im Schacht, Hilfe tut da Not. Denn rund 3500 RAG-Mitarbeiter sowie etwa 1500 Arbeitsplätze bei Subunternehmen, Dienstleistern und Zulieferern gehen verloren. Jeder neue Job wird da mit Kusshand genommen.

Walter Hellmich, dessen Unternehmensgruppe seit Jahren stetig expandiert und bereits 25 Firmen und Projektgesellschaften umfasst, gilt als großer Optimist und vor allem als Macher. Auch in diesem Fall. "Es war eine große Chance für unsere Unternehmensgruppe und für die Region. Als wir von der Möglichkeit eines Kaufs erfahren haben, mussten wir einfach handeln", erklärt er.

Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt freut sich natürlich über die Hellmich-Initiative und über potenzielle neue Arbeitsplätze. Die Arbeitslosenquote in der Stadt liegt bei 7,5 Prozent, und die Schließung des Bergwerks wirft große Schatten voraus. Da sind die Folgen für die Region schon erheblich größer als bei der BenQ-Pleite, zumal die Wertschöpfung um ein Vielfaches höher ist.

Auf dem etwa 100 000 Quadratmeter großen ehemaligen Areal von BenQ könnten künftig mehrere hundert Arbeitsplätze durch die Ansiedlung von Firmen aus dem Logistik- und Computerbereich entstehen. Ein Technologieunternehmen ist bereits in die ersten Büros gezogen, die Erweiterung des angrenzenden Logistikunternehmens "Kaiser + Kraft" auf dem Gelände wird bereits verhandelt. Das Nonplusultra wäre die Ansiedlung einer Fachhochschule.

Die Landesregierung hat einen Wettbewerb für drei neue FH's ausgeschrieben, die Entscheidung fällt noch im Dezember. Kamp-Lintfort möchte entweder eine niederrheinische Fachhochschule für angewandte Ingenieurwissenschaften ansiedeln oder Standort einer FH für Informations- und Kommunikationstechnik, Agrobusiness, Logistik sowie Energie und Umwelt werden. Walter Hellmich glaubt fest an den Standortvorteil in Kamp-Lintfort: "Das passt genau. Für die Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft ein optimales Gelände." Die Chance der Ansiedlung von "Hochschul-affinen Unternehmen" sieht Hellmich als ausgezeichnet: "Es gibt bereits eine Reihe von Bewerbern, die ihr Interesse bekundet haben. Es ist eine ideale Basis für die Verwirklichung des dualen Ausbildungsprogramms."

Tatsächlich dürfte der Umbau des Areals in einen Fachhochschul-Standort keine Probleme bereiten. Das Gelände ist erschlossen, die Produktions- und Bürogebäude können in kurzer Zeit den neuen Anforderungen angepasst werden, das Gelände liegt nicht nur dicht am Pütt, auch das Autobahnkreuz Kamp-Lintfort mit der A 57 und der A 42 sowie die Flughäfen von Düsseldorf und Weeze sowie der Duisburger Hafen sind schnell erreichbar, 2000 Parkplätze sind bereits vorhanden. Der Fachhochschulbetrieb könnte schon zum Wintersemester 2009/10 beginnen, 2500 Studenten sollen sich dann auf dem Campus tummeln.

Und was passiert, wenn es keinen Fachholschulstandort Kamp-Lintfort gibt? "Es wäre ein herber Rückschlag. Aber wir würden uns dadurch nicht entmutigen lassen", sagt Hellmich.
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