Vom Leben auf dem
Land IM GESPRÄCH. Ein Berliner am Niederrhein. Wolfgang Spreen
ist dem Charme der Region erlegen. Und weiß: Es gibt noch viel zu tun.
AM NIEDERRHEIN. Der Kreis Kleve und der Niederrhein - zwei, die
zusammengehören. Wir haben das Pärchen unter die Lupe genommen, mit dem
Landrat Wolfgang Spreen.
Guten Tag, Herr Landrat. Sie leben als gebürtiger Berliner nun ja schon
einige Jahre in Kleve am Niederrhein. Mitten auf dem Land.
Wolfgang Spreen:
Wir sind seit zehn Jahren Wahl-Niederrheiner. Nach Berlin fahre ich immer
gerne, aber leben möchte ich lieber hier. Die große Stadt vermisse ich
nicht.
Wann haben Sie zum ersten Mal "Niederrhein" gehört?
Wolfgang Spreen: Ich vermute im Wetterbericht vor vielen Jahren - aber im
Ernst: Das war Ende der 90er Jahre. Zum 1. Januar 1998 wurde im Kreis Kleve
die Stelle des Kreisdirektors frei. Davor habe ich im Rheinisch-Bergischen
Kreis und in Bergisch Gladbach gearbeitet.
Was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal durch den Kreis Kleve gefahren
sind?
Wolfgang Spreen:
Mir ist die wunderbare weiträumige Landschaft sehr positiv aufgefallen. Auch
die vielen Radwege, der Rhein - sehr viele schöne Details gibt es ja hier.
Das finden auch viele andere Menschen. Der Kreis Kleve wächst seit Jahren,
jetzt leben 307 000 Menschen hier.
Wolfgang Spreen: Und der Kreis Kleve wird weiter wachsen. Also sicher noch
in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren wird die Bevölkerungszahl steigen. Wir
haben auch noch Platz. Sicher für zehn- bis fünfzehntausend Neubürger.
Weil der Klapperstorch hier gerne rastet?
Wolfgang Spreen: Nein. Gar nicht mal wegen eines Geburtenüberschusses.
Hauptsächlich wegen der Zuzüge.
Wenn Sie, sagen wir mal, einem japanischen Investor den Niederrhein erklären
müssten, womit würden Sie locken?
Wolfgang Spreen: Mit dem was unsere Stärke ist: der schönen Landschaft,
unserer reichhaltigen Kultur und dem Rhein natürlich.
Und doch ist der Niederrhein als Tourismusregion nicht bekannt.
Wolfgang Spreen: Leider. Eine Umfrage hat ergeben, dass bundesweit nur zwei
Prozent der Befragten den Niederrhein als typische Tourismusregion kennen.
Das Münsterland kam auf 20 Prozent. Ganz zu schweigen vom Sauerland oder
Schwarzwald. Da müssen wir ´was im Marketing tun und eine Dachmarke
Niederrhein entwickeln. Gemeinsam sind wir stärker. Oder besser: Nur
gemeinsam sind wir stark.
Wer ist denn "wir"?
Wolfgang Spreen: Also ich kann auf jeden Fall sagen, wer ganz bestimmt dazu
gehört, was beinhaltet, dass andere ja nicht ausgeschlossen sind. Also
Niederrhein ist der Kreis Kleve, der Kreis Wesel, der Kreis Viersen, die
Städte Krefeld, Mönchengladbach, Neuss.
Das entspricht in etwa dem Zuschnitt der Standort Niederrhein GmbH in Neuss.
Da möchten Sie mit dem Kreis Kleve ja auch gern Mitglied werden.
Wolfgang Spreen: Ja. Die Standort Niederrhein GmbH ist eine überregionale
Wirtschaftsförderung mit Gesellschaftern aus dem Bereich mittlerer
Niederrhein. Besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen der
Region können von einem Standortmarketing Niederrhein profitieren. Wir
müssen außerdem das Projekt ´Zukunftsinitiative Kompetenzregion Niederrhein´
(ZIKON) weiter vorantreiben und versuchen, in den Genuss von NRW-EU-Ziel 2
Mitteln zu kommen. Die regionale Wirtschaft muss wettbewerbsfähig sein.
Wobei wir beim Flughafen Weeze gelandet wären.
Wolfgang Spreen. Der Flughafen ist für die Region unglaublich wichtig. Mit
Ausnahme der Grünen sitzen wir politisch da Gott sei Dank ja auch alle in
einem Boot.
Dennoch gibt es immer wieder Kritik daran, dass sich der Kreis da so stark
eingebracht hat.
Wolfgang Spreen:
Sicher gehört es nicht zu den klassischen Aufgaben eines Kreises, die
Entwicklung eines Flughafens so aktiv mitzugestalten. Es ist unser
gemeinsames großes Ziel, diesen Flughafen in Weeze zu entwickeln. In den
großen überregionalen Medien heißt es immer wieder, dass der Flughafen Weeze
durch den Kreis Kleve subventioniert wird. Das trifft nicht zu.
Subventionieren heißt ja, Geld zu geben ohne eine Gegenleistung zu bekommen.
Der Kreis Kleve hat ein Darlehen gegeben für Investition. Das ist
marktüblich verzinst und bankenüblich gesichert. Wenn wir das Darlehen nicht
gegeben hätten, hätte der Flughafen keine Chance gehabt.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Betriebserlaubnis steht
noch aus.
Wolfgang Spreen: Das ist typisch deutsch. Ich kenne kein Großprojekt, dass
dank langwieriger Genehmigungsverfahren nicht zu einer Hängepartie wird. Das
ist für die wirtschaftliche Entwicklung eines Projektes oder einer Region
nicht hilfreich. Investoren fragen: Können Sie garantieren, dass es in 20
Jahren oder wenigstens in fünf Jahren einen Flughafen Weeze gibt? Das können
wir heute natürlich nicht garantieren. Ich hoffe sehr, dass das so sein
wird, aber wir müssen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes
abwarten, sicher ist das alles noch nicht.
Und wenn die Leipziger Richter die Genehmigung nicht erteilen?
Wolfgang Spreen: An dieses Szenario mag ich nicht denken. Aber ich glaube
nicht, dass die Zustimmung der Region für den Flughafen ohne Eindruck auf
das Bundesverwaltungsgericht bleibt.
Welche Rolle spielt der Kreis Kleve in einer Wirtschaftsregion Niederrhein?
Wolfgang Spreen: Eine unserer größten ist die Entwicklung zu einer
Agrobusinessregion. Blumen, Landwirtschaft, die gesamte Wertschöpfungskette.
Bis hin zum Ausbau von Wissenschaft und Forschung und Ausbildungsplätze.
Darin steckt noch Potenzial. Auch in den Bereichen Arbeit und
Wirtschaftsförderung etwa hat sich vieles positiv entwickelt. Das läuft
stetig und aktiv.
Und wie ist das mit dem Wir-Gefühl?
Wolfgang Spreen:
Die regionale Zusammenarbeit ist wichtig. Sie muss vielfältig sein. Im
touristischen Sektor funktioniert das sehr gut, wenn ich etwa an das Projekt
2-Land denke. Hier kooperieren wir mit der Wirtschaftsförderung in Viersen
und vielen anderen Partnern aus der Region. Der Niederrhein muss - auch im
Wettberb mit dem Ruhrgebiet - mehr Profil bekommen.
Das Gespräch führte:
HEIKE WALDOR-SCHÄFER
28.09.2007
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