Was gibt´s denn da zu gucken?

Sicherheitsrisiko Handtasche. (Fotos: Heiko Kempken)Innenleben.

AIRPORT WEEZE. Luftsicherheitsassistenten brauchen einen geschulten Blick. Um fündig zu werden, für alle Fälle.

Also, wenn so das Fernsehprogramm aussieht, dürfte das Gemecker groß sein. Viel zu wenig Action, schlechte Bildqualität, langweilige Story. Und Ton gibt´s auch nicht - da ist ja ein Testbild aufregender... Marcus Teurlings und Volker Gaasch interessieren solche Gedanken im Moment herzlich wenig, schließlich haben sich die beiden im Abfertigungsbereich des Flughafen Niederrhein in Weeze nicht zum gemeinsamen TV-Abend getroffen - sie sind gerade mittendrin im praktischen Teil ihrer Ausbildung zum Luftsicherheitsassistenten und starren auf den Monitor, in den immer wieder neue ungewöhnliche Bilder hineinfliegen. Röntgen-Aufnahmen vom Handgepäck auf dem Fließband.

Sicheres Auftreten ist Bedingung
16 Anwärter waren es im aktuellen Ausbildungsjahrgang der künftigen Luftsicherheitsassistenten; nachdem einer mittlerweile ein anderes Job-Angebot angenommen hat und einer durch die Theorie geflogen ist, sind noch 14 dabei. Die acht Männer und sechs Frauen lernen hier alles nötige in Waffenkunde, Sprengstoffkunde, internationales Luftsicherheitsrecht oder auch Personenkontrolle inklusive Bedienung und Aufbau der Röntgengeräte. Ganz wichtig in dem Job am Flughafen ist Freundlichkeit. "Wir erwarten ein sympathisches und sicheres Auftreten - der Passagier ist unser Kunde", sagt Paul Taylor, Ausbilder der Sicherheitsfirma "Security Training International" (STI).

Messer, Gabel, Schere nicht
Marcus Teurlings grübelt derweil immer noch. Was ist denn da in der kleinen Tasche? Ein Handy oder ein Rasierapparat? Oder doch was ganz anderes? Irgendwie sind die Röntgen-Bilder schwer zu erkennen, trotz neuester Technik. "Das bereitet mir echtes Kopfzerbrechen", sagt Teurlings und guckt nochmal genau hin. Noch ein paar Ausbildungstage samt Praxis aus dem Berufsalltag, dann die Abschlussprüfung bestehen und der 39-jährige Klever kann auf dem Flughafen in Weeze arbeiten. Die Theorie hat er schon geschafft.

Während Teurlings, der derzeit als Taxifahrer seine Brötchen verdient, noch auf den Monitor guckt, sind Volker Gaasch und Sabrina Wenzel schon einen Schritt weiter. Im Rollenspiel kontrolliert Neu-Niederrheiner Gaasch, kürzlich von Münster nach Kleve gezogen, die Handtasche von Passagierin Wenzel. Und da gibt es klare Regeln: Ein Deo-Spray darf nur bis zu einer Größe von 100 ml ins Flugzeug mitgenommen werden. Das von Sabrina Wenzel ist aber eine Nummer größer: 150 Milliliter. Also raus damit. "Aber es ist doch fast leer", argumentiert Azubi Wenzel. Doch Gaasch behält kühlen Kopf, klärt auf und zeigt auf das Plakat an der Wand, auf der die 100-ml-Regel abgebildet ist. Gut gemacht.Auch eine handelsübliche Bastelschere findet er in der präparierten Frauenhandtasche. Da die Schere spitze und nicht abgerundete Klingen hat, darf sie nicht ins Flugzeug - tja, das hat Volker Gaasch (noch) nicht gewusst.

Ausbilder Taylor, ein Amerikaner, der vor Jahren von L.A. nach Mönchengladbach umsiedelte, beobachtet seine Schüler ganz genau und kann noch schwerere Geschütze auffahren: "Ein Alptraum für fünf Dollar" heißt das Buch von Pierre Bellemare. Wie passend. Denn ab Seite 19 des dicken Schinkens klafft ein großes Loch: Da hat jemand eine klitzekleine Bombe reingelegt und sie mit Knete festgemacht. Aber keine Angst - "ist nur Anschauungsmaterial", klärt Taylor auf. Dennoch kann so die Realität aussehen: "Die Anleitung, wie eine Bombe gebaut wird, gibt es doch überall im Internet", beklagt Taylor. Auch der präparierte Elektro-Schocker, den der Ausbilder aus einem Koffer zieht, dient der Abschreckung.

Die Bombe im Buch
Der Wurfstern etwa, der Schlagring, die zig Messer, das Chaku, der schießende Kugelschreiber, der von einem James-Bond-Bösewicht hätte sein können, oder die vielen Schreckschusspistolen sind bei Kontrollen im Laufe der Jahre zusammengekommen. Das wirkt beeindruckend. Und beängstigend zugleich.

"Wir bringen den Auszubildenden bei, eine erste Entscheidung treffen zu können. Entscheidend bei der Kontrolle ist nämlich: Was weicht von der herkömmlichen Norm ab?", erklärt Taylor und zeigt auf das Bellemare-Buch. Diese Bombe muss an der Kontrollstelle durch die Röntgen-Aufnahme erstmal entdeckt werden. Und dann an die Polizei weitergegeben werden. Nach dem Motto: anhalten und verweisen. Das alles dann auch noch zügig. Schließlich sollen die Fluggäste nicht unter den intensiven Kontrollen leiden müssen. Und wenn´s in Weeze auch mal stressig wird - für die künftigen Luftsicherheitsassistenten gilt: bitte lächeln.

31.05.2007 HENRIK LERCH