RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

6. Lärmentwicklung in Laarbruch im Vergleich (1954 bis 2005) - Fortsetzung -

Die Aktionsgemeinschaft "Stopp-Laarbruch" ermittelte an ihren Messstationen in der Einflug- schneise des Airport Weeze (Niederrhein) im Februar 2004 Werte um 75-85 db(A) (Quelle: www.stopp-laarbruch.de; die von "Stopp Laarbruch" gemessenen Werte können auch unter www.dfld.de abgerufen werden). Da eine Erhöhung um 6 db(A) eine Verdoppelung der sogenannten Schalldruckwelle bedeutet, kann gefolgert werden, dass der Fluglärm zur Zeit der RAF Laarbruch qualitativ rund 4 bis 32 Mal so intensiv war wie heute. Diese Werte können insbesondere für die Phase II vorausgesetzt werden.

In der Phase I war die Lärmbelastung sogar noch größer, da in dieser Zeit Maschinen auf Laarbruch stationiert waren, die eine andere Triebwerkstechnik besaßen als der Harrier in der Phase II.

Militärflugzeuge, insbesondere Kampfjets, wie sie auf Laarbruch stationiert waren, werden nach anderen Kriterien konzipiert als Zivilflieger. Während bei letzteren die Lärmminderung durch technische Verbesserungen immer weiter voranschreitet, zählt bei Militärmaschinen vorrangig die Leistung. Selbst relativ kleine Jagdbomber besitzen daher Triebwerke mit einer Schubkraft, die für größere Zivilmaschinen ausreichen würde. Die Triebwerke sind grundsätzlich erheblich lärmintensiver als die von Zivilmaschinen. Hinzu kommt eine Leistungssteigerung durch sogenannte "Nachbrenner". Dies sind Einrichtungen zur Erhöhung des Triebwerksschubs. Die Leistung kann dadurch fast verdoppelt werden. Der Gasstrom, der die Brennkammer eines Strahltriebwerkes verlässt, enthält noch ca.75% Sauerstoff. Diesem Gasstrom wird nach Verlassen der Turbine nochmals Kraftstoff zugeführt und verbrannt. Dadurch kommt es zu einem Schubzuwachs um bis zu 90%. Der Nachbrenner wird vorrangig beim Start, beim Steigflug auf große Höhen, beim Überschallflug und beim Luftkampf genutzt. Flugmanöver mit Nutzung des Nachbrenners gehören zum Standard-Ausbildungs- programm der NATO-Flieger.

Die meisten der auf Laarbruch eingesetzten RAF-Jets besaßen einen solchen Nachbrenner, so etwa die Typen "Phantom", "Jaguar" oder "Tornado". Erkennbar ist die Nutzung des Nachbrenners an der Stichflamme, die an den Triebwerken austritt (s. Fotos). Die ent- scheidende Begleiterscheinung der Nutzung des Nachbrenners ist allerdings der infernali- sche Lärm, der dadurch verursacht wird. Die aufgeführten Messwerte von bis zu 120 db(A) (s. o.) beim Einsatz dieser Technik sind nachgewiesen; Starts und vergleichbare Manöver gehörten zu den extremen Lärmquellen auf der RAF-Basis Laarbruch (Quelle und weitere Details: http://www.alma312.de/pa200Beschreibung.htm).

Zum Doppeljubiläum des Airports Weeze (Niederrhein) am 1. Mai 2004 (ein Jahr Zivilbetrieb, 50 Jahre Flughafen Laarbruch) waren ein Harrier und ein Tornado der Royal Air Force zu Gast. Die Aktionsgemeinschaft "pro:niederrhein" hat aus diesem Anlass eigene Messungen vorgenommen, die den deutlichen Unterschied zwischen militärischen und zivilen Maschinen hinsichtlich der Lärmentwicklung vollauf bestätigen. Die genauen Messergebnisse und eine ausführliche Dokumentation finden sich unter der Rubrik "Aktivitäten".

In Reaktion auf den von "pro:niederrhein" geführten Nachweis gaben die Flughafengegner auf ihrer Homepage kurz danach zu, dass Militärflieger deutlich lauter sind als Zivilflieger.

Nur am Rande sei erwähnt, dass die beschriebene Triebwerkstechnik der Militärjets besonders hohe Emissionen verursacht; die Rußwolken über Laarbruch waren charakteristisch und ein Markenzeichen für regen militärischen Flugbetrieb (s. Video 1 und 2). Die Abgase und Verbrennungsrückstände der Militärjets waren in den letzten Betriebsjahren der RAF Laarbruch vielfach Gegenstand der Klagen seitens der "Aktionsgemeinschaft Stopp Laarbruch". Im Gegensatz dazu sind die Emissionen der modernen Flugzeuge, die den Airport Weeze (Niederrhein) heutzutage ansteuern, sehr gering. Selbst für die Flughafengegner ist dies daher kein Thema mehr.

Eine weitere Quelle für extremen Lärm stellten die regelmäßigen Triebwerkstests dar. Auf jede Flugstunde bei einem Kampfjet entfällt ein Vielfaches an Wartungsstunden (im Ge- gensatz zu zivilen Flugzeugen). Die extrem belasteten Triebwerke mussten regelmäßig getauscht und auf ihre volle Funktionsfähigkeit getestet werden. Dazu stellte man die Jets in der Phase I unter freiem Himmel auf eine Parkposition, arretierte die Flugzeuge mit schwe- ren Stahltrossen auf einem sogenannten "Di-Tuner" und ließ die Triebwerke einschließlich Nachbrenner unter Volllast längere Zeit laufen. Solche Triebwerkstests konnten bis zu eine Stunde andauern; sie fanden bis tief in die Nacht statt. Die Anwohner der umliegenden Ge- meinden Bergen und Weeze sowie der Stadt Kevelaer haben unter diesen Triebwerkstest meist mehr gelitten als unter den Starts bzw. Landungen, zumal bei diesen Probeläufen auch der Nachbrenner getestet wurde. Da es keine genauen Unterlagen über die Zahl der Tests gibt, fließen diese nicht in die Berechnung der Flugbewegungen ein, obwohl die damit verbundenen "Lärmereignisse" als besonders extrem zu werten sind. Es muss von einigen Tausend Testläufen pro Jahr ausgegangen werden. Die damit verbundenen Lärmereignisse im Umfeld des Flugplatzes fielen zusätzlich zu den offiziell gezählten Lärmereignissen an, die aus den "normalen" Flugbewegungen resultierten.

Eine gewisse Änderung brachte die Einführung des Tornado ab 1983. Für diesen Flugzeugtyp wurde Mitte der 80er Jahre ein neuer "Di-Tuner" errichtet, der mittels eines großen "Schnorchels" die Abgasfahne der zu testenden Jets nach oben ableitete. Dies brachte aber nur eine minimale Geräuschreduzierung mit sich, da die Jets nur vor eine Blechwand geschoben wurden und ansonsten frei standen. Eine Rundumdämmung gab es nicht. Dafür war der Tornado mit zwei besonders starken und damit lauten Turbinen (mit Nachbrenner) ausgestattet. Triebwerkstest mit diesem Flugzeugtyp waren extrem laut. Die Erhöhung der Gesamtzahl der auf Laarbruch stationierten Kampfjets ab 1983 brachte eine zusätzliche Verschärfung der Bodenlärm-Situation.

Erst in der Phase II änderte sich die Situation grundlegend. Mit Beginn des Harrier-Betriebes bauten die Briten für Triebwerkstests einen speziellen Testbunker ("Di-Tuner"), der nach mo- dernsten Gesichtspunkten schallisoliert war; fertig gestellt wurde das Gebäude 1993. Außen konnte man nur noch ein schwaches Geräusch wahrnehmen. Die Anwohnerschaft wurde fortan vom Lärm der abendlichen Turbinen-Probeläufe verschont.


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Tornado GR 1 der 16. Squadron startet mit Nachbrenner. Im Hintergrund der noch heute sichtbare QRA-Bereich der RAF Laarbruch.
Die Maschine trägt eine Sonderlackierung
aus Anlass des 75-jährigen Bestehens der Squadron. Laarbruch, 1992.
Foto: Hal Palmer


Ein Tornado der RAF Brüggen stattet Laarbruch bei einem Testflug einen Besuch ab. Nach einem klassischen "Touch-and-Go" fährt das Fahrwerk wieder ein. Mit vollem Schub und Nachbrenner zieht der Jet seine obligatorische "Ehrenrunde" über Weeze. Laarbruch 1998. Foto: RAF Germany


Bis 1993 wurden die Kampfjets auf offenem Gelände arretiert und die Triebwerke unter Volllast getestet; hier eine "Phantom" der 111. RAF-Sqn. Im Bild ist zu erkennen, wie die Maschine mit einer Stahltrosse auf einer speziellen Testrampe ("Di-Tuner") gesichert wird; der lärmintensive Nachbrenner ist erkennbar zugeschaltet. Der daraus resultierende infernalische Lärm ließ noch in Weeze die Fensterscheiben erzittern. Derartige Tests konnten sich über Stunden hinziehen. Foto: Colin Murray, 1979.


Die ab 1983 auf Laarbruch stationierten Tornados wurden für Turbinentests vor eine Blechwand geschoben. Der Abgasstrahl entwich durch eine Öffnung in der Wand und einen dahinter befindlichen, nach oben abgewinkelten "Schnorchel", um Verbrennungen zu verhindern. Lämmindernd war dies kaum. Foto: Richard Smith, Laarbruch um 1988.


Dieses 1993 fertiggestellte Gebäude diente für die letzten 6 Betriebsjahre der RAF als Test-Stand für die Triebwerke. Auf diesen sehr effektiven Lärmschutz mussten die Weezer rund 40 Jahre warten. Zustand 2004.
Foto: Dunja Schramm


Harrier Teststand ("Di-Tuner"), Innenansicht. Das Gebäude ist mit speziellen schallschluckenden Materialien ausgekleidet, so dass außen fast nichts mehr zu hören war. Die Anwohner hatten dies Jahrzehnte erfolglos gefordert. Zustand 2004. Foto: Rolf Toonen